#33 Das Beste kommt zum Schluss

Shownotes

Nach zwei Jahren Pause war es im April dieses Jahres endlich so weit. Der Goodcast kehrte zurück. Seitdem haben wir im Rahmen des Goodcast viele Menschen mit spannenden Projekten und/oder Unternehmen aus dem Bereich des Social Entrepreneurships kennengelernt und interviewt. Nun endet ein aufregendes Jahr 2023 und wir wollen zusammen mit euch einmal zurückblicken und haben dafür eine Auswahl an Folgen getroffen, welche einen guten Querschnitt der Gäste darstellen, die wir dieses Jahr im Goodcast begrüßen durften. Dazu haben wir Julius auf die andere Seite des Mikros gesetzt und Jeanna aus der Redaktion direkt an das Mikrofon geholt. Julius spricht darüber, was ihn bei den ausgewählten Folgen am meisten beeindruckt hat und was ihm am ehesten im Kopf hängen geblieben ist, auch wenn das manchmal aus privaten Gründen ist. Wir freuen uns sehr mit euch zusammen auf die Folgen des Goodcast mit Pavel Richter, Katja Diehl, Raúl Krauthausen, Julia Freudenberg, Anna-Lena von Hodenberg und Christian Kroll zurückzublicken. Zudem gibt Julius erstmals einen Ausblick darauf, worauf wir uns im Jahr 2024 mit dem Goodcast freuen dürfen.

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https://podcasts.apple.com/de/podcast/goodcast-der-podcast-der-wirkt/id1453409017?i=1000608907738

https://open.spotify.com/episode/5rOeV2qgrtMw2Vlc2BrMlu?si=d37be843a4244a30

https://podcasts.apple.com/de/podcast/goodcast-der-podcast-der-wirkt/id1453409017?i=1000620439175

https://open.spotify.com/episode/3EV8rjRmopV1Fr60xxoT4V?si=9db26c8923dc4c06

https://podcasts.apple.com/de/podcast/goodcast-der-podcast-der-wirkt/id1453409017?i=1000621348743

https://open.spotify.com/episode/4iWzLFHgyU6D6RnVKr20l9?si=cf3262fef3c642f6

https://podcasts.apple.com/de/podcast/goodcast-der-podcast-der-wirkt/id1453409017?i=1000627419191

https://open.spotify.com/episode/4UP2Z1YC9C3taPqthYAaMJ?si=0e3727602f7e4efd

https://podcasts.apple.com/de/podcast/goodcast-der-podcast-der-wirkt/id1453409017?i=1000632241744

https://open.spotify.com/episode/2CqBxoACeOE0PbIEDGLJEW?si=8e1dde5f2ef441f9

https://podcasts.apple.com/de/podcast/goodcast-der-podcast-der-wirkt/id1453409017?i=1000635386203

https://youtu.be/IEPomqor2A8


Eine Produktion von MAKIKO* für die Viva Equality gemeinnützige UG

Gastgeber: Julius Bertram

Redaktion: Jeanna Lee Miller; Jamie Tom Seeliger

Mitarbeit: Martin Gertz

Produktion: MAKIKO*

Transkript anzeigen

Jahresabschlussfolge - 12.12.23, 14.43.wav

Intro/Outro: Goodcast, der Podcast, der wirkt, präsentiert von Viva Equality.

Julius Bertram: Das ist der Goodcast, und das wird die letzte Folge des Jahres, und für die letzte Folge des Jahres haben wir uns überlegt, dass wir euch einen Zusammenschnitt machen der besten Folgen, die es bisher gab. Das kann man so eigentlich nicht sagen. Ich muss, glaub ich, auch erst mal kurz Jeanna vorstellen, mir gegenübersitzt Jeanna.

Jeanna: Hi

Julius Bertram: Und Jeanna hat sich angeboten, mir ein bisschen durch diese Folge durchzuhelfen. Es ist nicht so, dass wir euch die besten Folgen zusammengefasst haben. Das wäre unfair allen anderen gegenüber, sondern wir haben eine Auswahl getroffen von Folgen, die ihnen sehr guten Querschnitt darstellen. Ich glaube, so könnte man das sagen, und das ist ganz spannend, weil Jeanna bekommt jetzt auch eine Stimme. Nachdem sie sich schon mehrfach erwähnt habe, hat sie jetzt auch eine Stimme. Also Jeanna wird mir durch den Podcast durchhelfen, insofern als dass sie immer eine kurze Anmoderation zu den einzelnen Folgen macht und mir dann eine Frage stellt, um diesen Podcast aus meiner Perspektive noch mal einzuordnen. Ich habe mich auf die Fragen nicht vorbereitet, um ein bisschen Spontanität mitzubringen. Dann fangen wir einfach an. Wir wünschen euch viel Spaß mit dieser sehr besonderen Folge. Ich überleg grad, wenn wir die ausstrahlen, ist es noch vor Weihnachten.

Jeanna: Ja.

Julius Bertram: Okay, dann jetzt schon mal frohe Weihnachten und guten Rutsch wünschen wir dann am Ende des Podcast.

Jeanna: Dann viel Spaß.Nach einer zweijährigen Pause hat der Goodcast im April direkt mit einem ganz besonderen Gast gestartet: Pavel Richter. Pavel wurde vom Ehrenamtlichen zum Geschäftsführer von Wikimedia Deutschland und weiß, was es heißt, die größte Enzyklopädie der Welt. Managen, Julius, wie hat Pavel dein Blick auf Ehrenamt und non profit verändert?

Julius Bertram: Ähm, ich erinnere mich an eine Aussage, die Pavel getätigt hat, und ein Wort. Er hat nämlich, er sprach vom non profit land, und daran erinnere ich mich sehr deutlich, weil er in der Folge gesagt hat, dass wir im non profit land alle in einer schönen Blase unterwegs sind, und er hat das so beschrieben, dass er meint, wir leben, ich hoffe, dass wir die Stelle genauso finden und die dann hinterher auch einspielen können in dem Zusammenhang. Aber er meinte, eigentlich leben wir alle ganz gut damit, dass wir ein Problem bearbeiten, das gar nicht gelöst werden soll. Und in dem Moment, wo er das gesagt hat, dachte ich so, okay, das ist echt fies, weil alle, die hier in diesem Sektor unterwegs und sagen, ja, wir arbeiten an Problem, und wir wollen dieses Problem auch lösen. Und Pavel sagt ja, das wollt ihr alle, und ihr tut auch alle so, als wäre das so. Aber eigentlich habt ihr ein Problem, weil wenn die das Problem löst, dann seid ihr alle arbeitslos, und das hat bei mir zumindest die Frage ausgelöst, ob da alle hundertprozentig ehrlich zu sich selber sind. Das fand ich echt spannend, und seine Einstellung zu den ehrenamtlichen fand ich auch insofern spannend, als dass er meinte, er hat nach seiner Zeit bei Wikimedia ganz doll für sich reflektiert, dass man im Umgang mit ehrenamtlichen, dass da einfach besondere Regeln gelten und dass das die am Ende das Tempo vorgeben, dass es uns allen nicht hilft, wenn wir da mit unseren KPI‘s und unseren Zahlen um die Ecke kommen, sondern dass die Ehrenamtlichen sagen, wie schnell das Tempo ist. Ich habe Pavels Folge auf jeden Fall in sehr guter Erinnerung behalten, weil Nummer eins, die hat unter dem Hochbett unserer Tochter stattgefunden bei uns zu Hause, und Nummer zwei Pavel war der erste Gast, den ich hatte, nachdem ich mehrere Jahre den Podcast pausiert hatte, und das war, weil Pavel und ich uns schon super lange kennen und es war ein schönes Interview!

Jeanna: Und würdest du auch sagen, das hat so die weiteren Interviews dieses Jahr beeinflusst.

Julius Bertram: Nee, das wäre zu viel gesagt, das ist die Frage, ist total berechtigt, aber nee, das hat es nicht, das haben die einzelnen Interviews auch nicht. Ich bin irgendwann bin ich zu einer Frage gekommen, die ich immer mehr bearbeite, und das ist die Frage. Was führt eigentlich dazu, dass Menschen sich für diesen Sektor entscheiden? Aber ich genieße das total, mich mit den Leuten zu unterhalten. Ich finde das so spannend, was sie zu erzählen haben und was die für Wege hinter sich haben.

Pavel Richter: Irgendwann kam mir diese Erkenntnis auch nach vielen Gesprächen, die ich mit vielen Leuten hatte, dass ich tatsächlich die Rolle des Ehrenamts und die Rolle von ehrenamtlichen Engagement in diesen Rahmen von gemeinnützigen Organisationen, in dem Falle Wikimedia und Wikipedia völlig falsch eingeschätzt habe. Ich kam da frisch mit meinem KPIs und Strategy Begrifflichkeiten aus der Unternehmensberatung und hab diesen Verein auch so aufgebaut und sicherlich auch lange Zeit so geführt, wie man das quasi im Lehrbuch machen würde, und alle Zahlen zeigten ja nach oben, die Zahlen, die ich gerade gesagt habe. Aber was ich eben gelernt habe und auf die harte Tour gelernt habe, was aber eine sehr, sehr tolle Erkenntnis oder tolles Learning für mich war, war, das Ehrenamtliche nach ihrem eigenen Tempo vorgehen und dass sie im Grunde genommen den Takt vorgeben müssen und dass eine gemeinnützige Organisation, die in einem starken ehrenamtlichen Umfeld engagiert ist, sehr, sehr, sehr genau darauf achten muss, wohin gehen die Ehrenamtlichen und in welcher Geschwindigkeit tun sie das und darauf Rücksicht nehmen und darauf auch reagieren und das auch in die eigenen Überlegungen mit einbeziehen. Ich hatte mich sehr blenden lassen von diesem, diesem materiellen Erfolg und den ganzen Wachstumszahlen, habe aber quasi die die Mission und auch das Herz, das in Wikipedia als einem rein ehrenamtlichen Projekt steckt. Das habe ich teilweise übersehen und vergessen, und das führte, das war auch der Hauptgrund, warum mein Präsidium sich damals entschieden hat, mit mir nicht weiterarbeiten zu wollen, und das ist etwas, was ich in meiner Arbeit danach immer probiert habe zu berücksichtigen. Ich arbeite jetzt so rund 14 Jahre im gemeinnützigen Sektor und werde eigentlich mehr und mehr kritisch, was gemeinnützige Organisationen angeht und was den ganzen, was non profit Land angeht, und ich sehe hier eine tolle Möglichkeit, das was ich quasi selber als Kritik und als Fehlentwicklung sehe, den gegenzusteuern und das anders zu machen als das, als das bisher gemacht wurde. Und dazu gehört zum Beispiel auch das war eine fast schon Konfrontationstherapie mit meinen, mit Meinen, Mitgliedern, dass wir einmal im Raum sitzen und aussprechen, dass wir alle Konkurrenten sind. Dieses, cumbaja, wir arbeiten alle am gleichen Ziel und wollen doch immer nur das beste. Nein, wir haben, es gibt nur so und so viele Geldgeber, die für dieses Thema Geld geben. Wir sind, wir kämpfen um die gleichen Mitarbeitenden, wir kämpfen um die Aufmerksamkeit von Medien, der Öffentlichkeit, von Regierungen, und wir kämpfen und Geld, und da sind wir Konkurrenten, und das einzugestehen und das für sich erst mal auch wirken zu lassen, was bedeutet das eigentlich, und was folgt da jetzt für mich daraus, aus dieser Erkenntnis? Das verändert wirklich was in den Köpfen, und das merke ich. Und dann gibt es natürlich fast schon philosophisches Problem, nämlich dass die meisten gemeinnützigen Organisationen davon leben, dass es ein Problem gibt, und das meine ich gar nicht so böse wie das, wie das vielleicht klingt, aber genauso ist es. Alle, die wir in gemeinnützigen Organisationen arbeiten, leben davon, dass es Menschen gibt, die uns brauchen, und die Konsequenzen finde ich immer noch thematisiert. Die Tafel hier in Deutschland. Die Geschäftsführung, das Präsidium, der Vorstand der Tafel sind total klar und sagen, uns darf es eigentlich nicht geben. Dass es uns gibt, ist ein totales System Versagen dieses Staates, denn es ist eine staatliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Menschen, die sich das, die das nicht selber können, genügend zu Essen haben, und dass es uns gibt, ist ein Zeichen für ein Systemversagen. Und diese Klarheit, die wünsche ich mir von vielen anderen gemeinnützigen Organisationen. Deswegen Hut ab vor der Tafel, die das so klar formuliert, denn andersrum wird eben auch ein Schuh draus. Die sagen auch, das ist ein Risiko für uns, weil wir eben auch, wir leben davon, und wir sind auch unsere Mitarbeiter. Ich lebe davon, dass es dieses Problem gibt, brauche ich nicht über andere reden, und das gilt uns allen, und ich glaube, wir im non profit land können nur davon profitieren, wenn wir, wenn wir das wirklich reflektieren und uns überlegen, was das bedeutet und auch welche Konsequenzen das hat.

Jeanna: Von der größten Enzyklopädie der Welt ging es dann rauf auf unsere Straßen zu einem Problem, über das wir uns alle jeden Tag mindestens einmal aufregen. Unser Verkehrssystem. Katja Diehl hat 2017 die Initiative she drives mobility gestartet und widmet sich seitdem der Mobilitätswende. Mit ihrem Buch Deb Autokorrektur: Mobilität für eine lebenswerte Welt hat sie nicht nur ein Spiegelbestseller geschrieben, sondern auch einige essenzielle Fragen über unser Verkehrssystem aufgeworfen. Julius, wie hat Katja deinen Blick auf unser Verkehrssystem verändert, und was hast du von ihrer unnachgiebigen Art gelernt?

Julius Bertram: Ähm, Okay, von hinten, von ihrer unnachgiebigen Art. Was habe ich von ihr gelernt? Ähm, ich erinnere mich ganz gut, dass sie eine Situation geschildert hat. Sie nennt es selber den Monat des Hasses, wo sie aufgrund von einem Statement so einen Shitstorm abbekommen hat? Ich habe die Zahl nicht ganz genau im Kopf, aber ich meine, Hate Aid, Anna-Lena von Hodenberg, mit der ich hinterher auch gesprochen habe, die Macht Das hat ich meine mich zu erinnern, dass gesagt hat, dass sie pro Stunde 300 Hasskommentare hatte.

Jeanna: Und ich glaube, jeden Tag eine Morddrohung.

Julius Bertram: Das war richtig. Also, es war wirklich so, und da in dem Interview dachte ich, da hätte ich keinen Bock drauf, so wirklich, das wäre auch einfach, da hätte ich für mich eine Grenze erreicht, und da hartnäckig zu bleiben und zu wissen, dass du eigentlich gegen einen Riesen kämpfst, gegen den du völlig ohnmächtig bist. Jetzt ich meine sie kämpft, gegen die Autoindustrie, gegen die Ölindustrie, gegen Lobbyisten und ein wahnsinniger Kampf! Krasses Interview hat bei mir viel Eindruck hinterlassen, dass sie so hartnäckig ist. Was das Thema Verkehr angeht. Bei mir ist vor allem das Thema Wohnmobil hängengeblieben. Wir haben selber ein Wohnmobil, und ich habe sie gefragt, meinst ja, sag mal Katja wie ist das mit einem Wohnmobil? Also was ist deine Meinung dazu? Und auf der einen Seite hat es mich total erwünscht und auf der anderen Seite auch irgendwie beruhigt. Sie meinte, Wohnmobile ist der letzte Scheiß. Die stehen die ganze Zeit in der Stadt rum, die Leute benutzen es irgendwie zwei, dreimal im Jahr, und es nimmt ansonsten eigentlich nur Fläche weg. Aber und das war dann mein Ausweg, sie meinte auch, ja, wenn du das häufiger benutzt, dann ist das eine schon eine ganz coole Form zu reisen, das ist auf jeden Fall besser als fliegen, und da wir unser Wohnmobil echt oft nutzen, cool. Es gibt diese, ich weiß nicht, ob du die kennst. Es gibt diese Bilder auf Linkedin, die sie regelmäßig veröffentlicht, wo Kinder vor so einem SUV stehen, und seit ich mit ihr geredet habe, habe ich da noch mal einen anderen Blick drauf. Ich habe neulich ein Video gesehen von einem Kind, das von einem überfahren wurde, und das ist, das Kind ist quasi vorne unter dem Auto, das wurde erwischt und es hinten runter durchgerollt, und es ist nichts passiert, weil dieses Ding einfach so groß ist, und wir haben selber drei Kinder. Bestimmte Autos gehört einfach nicht auf die Straße, und das hat es bei mir echt nochmal geschärft, und das gehört den Leuten auch wirklich. Vielleicht gehört es echt auch verboten, bestimmte Autos fahren zu dürfen. Ja, jetzt ein bisschen destruktiv.

Jeanna: Das wird dann das Zitat, dass wir von dir rausschneiden.

Katja Diehl: Hate Aid.org, die haben nur Twitter analysiert, in diesem Februar also nur eine einzige Plattform, und da gab es Tage, wo teilweise 300 Tweets die Stunde über mich abgesetzt worden sind, und das sind vor allen Dingen zu 50 Prozent kamen, diese Tweets von 600 sehr aktiven rechtsradikalen Accounts. Ich war im Darknet wohl irgendwie auf irgendwelchen 4chan und frag mich nicht, ich kenne mich damit überhaupt nicht aus. Also, da wurde richtig konzertiert und gewünscht und organisiert gegen mich Stimmung gemacht. Also, Helsinki hat zum Beispiel Vision Zero total ernst genommen, das heißt ja keine Verkehrstoten mehr und hat jetzt sogar Jahre, wo gar keiner mehr im Straßenverkehr stirbt. Das ist also machbar. Also, und das ist wirklich überlegt, mal null. Also, wir haben gerade sieben bis acht Menschen im Straßenverkehr, die Sterben, das ist einfach egal.

Julius Bertram: Naja, ich hab eine Zahl vorher rausgesucht. Das sind 2021 waren 1.118 Verkehrstote, und das war seit 60 Jahren der tiefste Stand.

Jeanna: Was Katja in ihrer Folge schon angesprochen hatte, waren strukturelle Diskriminierungen von bestimmten Personengruppen. Darum ging es auch in unserer nächsten Folge mit Raúl Krauthausen. Raúl Krauthausen ist Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit und hat in dieser Rolle seit über 15 Jahren zahlreiche Projekte gestaltet. 2013 wurde er dafür sogar mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Julius, war das Interview so, wie du dir vorgestellt hast, und was hat es mit dir gemacht?

Julius Bertram: Das Interview war so, wie ich es mir vorgestellt habe, und das Interview war nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, beides trifft zu. Ich kenne, ich kenne Raúl schon eine Weile, und Raúl ist eine krasse Persönlichkeit. Das ist wirklich! Also wer da unberührt bleibt, wenn der seinen Mund aufmacht, und das jetzt, ich meine das nicht mehr aus so einer mitleidigen Perspektive. Der Typ hat alles andere als Mitleid verdient. Das ist! Ich habe dafür nur Respekt übrig. Das ist so krass, der ist so unendlich klug, und er setzt sich so krass für seine für seine Werte und seine Ziele ein. Ähm, also, ich wusste schon, was mich erwartet. Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass es mich so flasht, dass ich da sitze und Tränen in den Augen bekomme. Mich hat vor kurzem jemand gefragt, welches das beste Interview war, und ich will einen anderen nicht unrecht tun, weil die alle Mega stark waren. Wirklich! Aber das ist bei mir so krass in Erinnerung geblieben, weil ich mich wirklich übel ertappt gefühlt habe. Er bringt ganz viele Beispiele von systematischer Benachteiligung von behinderten Menschen, von Menschen mit Behinderung, und bei ganz vielen dachte ich mir so, oh ja, krass stimmt, und ich leiste meinen Beitrag dazu so ganz total Banal! Du hörst dieses Interview, und die nächsten 48 Stunden fällt dir mit ein Mal auf, Ja, es ist garnicht so einfach, in einen Bus reinzukommen und ist gar nicht so einfach in unser Büro vorne, hat keine Rampe. Also, das wird dir dann erst klar, wenn du mit ihm darüber sprichst und das eigentlich da ist. Du vergisst es dann wieder, weil sich einfach selber nicht betrifft, und das, finde ich, macht so einem richtig krassen Kampf, den er da austrägt, das ist das eine, und er hat was gesagt. Das hat in der Deutlichkeit, glaube ich, noch niemand anders gesagt. Er sagt, es gibt ein System, und der benennt die Unternehmen auch, die das Befördern, das daran interessiert ist, Menschen, die Behinderungen haben, systematisch zu benachteiligen, weil sie ein, weil sie im Grunde auf den Umsatz angewiesen sind, der mit diesen Menschen erwirtschaftet wird. Und da habe ich damals gedacht, dass wir irgendwie vermuten, wir es alle. Aber das es mal einer Ausspricht, das ist schon nochmal ne andere, ne andere Liga, krasses Interview! Ich weiß nicht, was du hier gleich in Ausschnitt raussuchst, aber das Interview kann man echt nur empfehlen. Im übrigen kleiner Funfact: Torsten Schreiber, der in dieser Aufzählung hier jetzt leider keinen Platz gefunden hat von Afrika Green Tech. Der hat vor zwei Wochen, also, ich würde sagen, vor zwei Wochen. Das ist, wenn der Podcast ausgestrahlt wird, ungefähr anderthalb Monate her. Hat er einen Post geschrieben, dass er sich das Interview mit angehört hat? Einen sehr umfangreichen Post zu dem Interview, und das hat ganz gut nochmal zusammengefasst, der war ähnlich geflasht.

Raúl Krauthausen: Wahrscheinlich würde für mich Gerechtigkeit beinhalten, auch Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit, also wann oder vielleicht mal einfach gesagt, alles für alle, bis alles alle ist. Das wäre für mich Gerechtigkeit und dann auch berücksichtigen, dass die Menschen an unterschiedlichen Startpositionen sind im Leben also zu sagen, jeder ist seines Glückes Schmied, ist zum Beispiel nicht gerecht, weil nicht jeder Mensch an der gleichen Startlinie steht, das hängt vom Umfeld ab. Es hängt auch von dem Ort ab, wo man wohnt, vielleicht auch, bist du Mitglied einer marginalisierten Gruppe, ja oder nein? Und all diese Faktoren zusammengezählt, muss man quasi berücksichtigen, wenn wir von Gerechtigkeit sprechen. Das beinhaltet dann Nachteilsausgleiche oder vielleicht sogar auch Unterstützung, sodass, wenn wir sagen, jeder ist seines Glückes Schmied, dann zu dem Schluss kommen kann, dass aber nicht jeder Schmied Glück hat und wir auch als Gesellschaft immer dafür sorgen sollten, Menschen, die vielleicht nicht so viel Glück hatten, im Leben die Unterstützung zu geben, die sie benötigen. Also Ableismus ist im Prinzip, dass Pandon zu Rassismus oder Sexismus, wo eben Rassismus Nationalitäten meint oder Sexismus Geschlecht, meint Ableismus letztendlich die Dimension Behinderung als Diskriminierung. Ich würde es gerne unterscheiden zwischen Behindertenfeindlichkeit und Ableismus, also bei Behindertenfeindlichkeit ist es ein aktiver Prozess, ich nenne jemanden so oder ich haue ihn oder ich jagen, oder what ever. Die Behindertenfeindlichkeit habe ich so jetzt nicht so oft erlebt. Aber es gibt eine andere Form von Diskriminierung, und das ist eine strukturelle Diskriminierung von Behinderten Mensch. Also zum Beispiel, dass ich verpflichtet bin, wenn ich mit der deutschen Bahn fahren möchte, mindestens 24 Stunden vorher meine Fahrt anmelden muss, obwohl ich eine Bahncard 100 habe, weil sie sonst nicht gewährleisten können, dass genug Personal am Bahnsteig mir beim Einsteigen hilft. Oder wenn ich nach 22 Uhr am Göttinger Hauptbahnhof ankommen möchte, dann geht das nicht, weil um 22 Uhr das Personal am Bahnsteig Feierabend hat und dann, obwohl ich eine Bahncard 100 habe, mir nicht die Gelegenheit gegeben wird, aus dem Zug auszusteigen, weil man dafür Hilfe braucht. Und man braucht diese Hilfe nur weil die Deutsche Bahn nicht in der Lage ist, zusammen mit den Verkehrsministerien, Föderalismus lässt grüßen, sich auf eine einheitliche Bahnsteighöhe zu einigen mit ihren Zügen, und so ein Zug hält nur mal 30, 40 Jahre, und die werden jetzt auch nicht ohne weiteres ausgetauscht werden. Das heißt, wenn wir Glück haben, sind wir in 40 Jahren soweit, dass man als Rollerfahren, der Mensch ohne fremde Hilfe einsteigen kann.

Intro/Outro: Ein kleiner Hinweis in eigener Sache, der Goodcast wird von uns mit viel Liebe für dich produziert. Bitte gib uns ein bisschen liebe zurück und vergiss nicht, den Podcast zu abonnieren und zu bewerten. Auch über Kommentare freuen wir uns.

Jeanna: Wir haben also gelernt, dass sich beim Thema Inklusion einiges ändern muss. Mindestens genauso viel muss sich auch der IT-Unterricht unserer Kinder wandeln, wenn wir sicherstellen wollen, dass sie auf die Zukunft vorbereitet sind. Darüber haben wir mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der mehrfach ausgezeichneten Hacker School gesprochen. Sie setzt sich dafür ein, dass Jugendliche, insbesondere Mädchen und sozioökonomisch benachteiligte junge Menschen sich für das Programmieren begeistern. Julius, du bist selbst Vater von drei Kindern. Hat das Interview bei dir einen Nerv getroffen?

Julius Bertram: Ja hat es. Ja das Interview hat bei mir Nerv getroffen. Zwei unterschiedliche Gründe, Nummer eins, da habe ich auch ganz herzlich mit ihr drüber gelacht. Ich finde das spannend, dass dieses Thema hacken, dass es immer noch im Zweifelsfall so eine negative Konnotation hat, und sie erklärt das richtig gut. Sie sagt ja, es geht nicht darum, die nächsten Cyber Kriminellen auszubilden, sondern es geht darum, Kindern Lösungskompetenz beizubringen, und das versteht sie unter dem Hack. Also, sie erklärt das mit dem Hühnerstall. Sie hat, zuhause hat sie Hühner, die brauchen relativ viel Wasser, das wusste ich auch nicht, und im Winter gefriert dieses Wasser. Also, sie kauft so ne kleine, kleine, kleine Einheit, schließt irgendwas an, drei Zeilen Code, und schon ist mit einmal das Problem gelöst, und das versteht sie als Hack und das probiert, sie zu vermitteln, und das finde ich richtig gut, weil, und das ist die zweite Erkenntnis, ich glaube, dass in dieser Digitalisierung für unsere Kinder, also jetzt nicht für meine Kinder explizit, sondern generell.

Jeanna: Meine auch nicht.

Julius Bertram: Sondern für alle Kinder, dass auch eine Gefahr drin ist, nämlich dass sie alle zu stumpfen Nutzer*innen werden, also dass sie eigentlich nicht checken, was sie tun, und im Nachgang zu diesem Gespräch. Also, unsere Kinder gehen an zwei unterschiedliche Schulen, das eines der Montessori Schule, das andere ist eine Waldorfschule, und an der Waldorfschule habe ich mit den Eltern Diskussionen geführt. Die war wirklich, also wirklich, das war echt krass, weil die nicht verstehen, dass es wichtig ist, den Kindern diese digitalen Kompetenzen zu vermitteln, und zwar in einer Art und Weise, dass die verstehen, was dort passiert, weil am Ende, wenn die mal Abitur machen oder mal studieren, keiner braucht stumpfe Nutzer*innen, die brauchst du einfach ich, du brauchst Menschen, die verstehen, was das Problem, wie das System dahinter funktioniert. Und das, finde ich, ist ein super wichtiger Ansatz ist, den Kindern zu vermitteln, und es ist ehrlich gesagt, eine riesen Schweinerei, dass es in den Lehrplänen so nicht stattfindet. Unsere Tochter ist jetzt in der sechsten Klasse, ich glaube, die hat bis heute also die Arbeiten. Da haben wir zum Beispiel die Arbeiten mit dem Tablet im Unterricht, und die kann es auch nutzen, und die kann tolle Präsentation erstellen, und die kann auch toll das Internet benutzen, aber klassisch Informatik, den zu erklären, wie funktioniert es eigentlich keine! Und das finde ich, das ist echt ein wichtiger Ansatz, und das hat bei mir echt getriggert. Ich habe hinterher die Hacker School mehrfach empfohlen, und ich bin hab dann so gedacht, ich möchte mit ihr nicht tauschen. Da kam viel Skepsis entgegen. Aber das war ein geiles Interview, geiles Interview, und das war, glaube ich, eine der schrägsten Anfänge überhaupt.Würdest du sagen, dass sich generell was geändert hat im Bildungssystem?

Julia Freudenberg: Ja, kennst du diese Übersicht auch aus Unternehmenssicht? Wer hat die digitale Transformation losgetreten, der CEO, der CXO oder der, ist ja auch völlig egal. Oder Corona? Es ist immer das letzte. Klar hat sich was verändert.

Julius Bertram: Und was?

Julia Freudenberg: Die Erkenntnis, dass Digitalisierung wahrscheinlich nicht wieder weggeht, hat sich durchgesetzt. Das Verständnis, dass wir doch bei den Kindern die Extrameile gehen müssen, wenn wir wollen, dass sie sich in dieser Welt zurechtfinden, die ist auch da, wie energisch man das machen muss und wer das tun sollte. Da streiten sich noch so ein bisschen die Geister. Aber auf jeden Fall meine ich sagen zu können, ohne Corona hätten wir jetzt nicht die Möglichkeit, die wir haben, virtuell in ganze Schulklassen zu gehen und mit den Kids geilen Scheiß zu machen. Es zieht sich ein bisschen durch das Lernverständnis, was wir in unserem Bildungssystem haben. Es geht doch darum, du sollst den Scheiß reproduzieren können, du sollst auch Transferleistung machen, aber wirklich kreativ geilen Scheiß rauszufinden. Wir nennen die so. Das ist halt nicht wirklich das, was gefragt wird. Nicht zwangsläufig, wenn Kinder ganz kreativ auf Aufgaben Antworten, wo man vielleicht auch sagt: Okay, das hat jetzt mit den, mit den Fakten nicht so viel zu tun, aber der Ansatz ist geil gedacht kriegen sie trotzdem null Punkte, und das ist ein bisschen die Herausforderung, dass wir Wege finden müssen, wie wir die Twentyfirst Century Skills, die Fähigkeiten des einundzwanzigsten Jahrhunderts, wirklich zu den Kindern kriegen können, weil wir wissen heute, dass 65 Prozent der jetzigen Grundschulkinder in Jobs arbeiten werden, die wir heute noch gar nicht kennen. Also was sollen wir denen in Kopf kloppen? Und deswegen Kreativität, Kollaboration, Kommunikation, kritisches Denken, das zu fördern mit jeder Möglichkeit das halte ich für super wichtig. Mein schönstes Beispiel ist, wir haben zu Hause einen smarten Hühnerstall, und im Sommer ist das kein Problem. Im Winter ist es aber total nervig, weil Hühner sehr viel trinken: null, drei bis null, fünf Liter pro Huhn pro Tag. Aber wenn im Wasser immer im Winter immer das Wasser einfriert, nervt das wie Bolle, dass du immer rausgehen musst und das Wasser tauschen oder es aufhacken oder irgendwas, so was ist die Antwort? Die Antwort ist ein Microbit, eine Heizspirale und drei Zeilen Code. Wenn Temperatur unter null, dann Heizspirale an und Wasser waren fertig. Das ist wenn, dann sonst, und damit haben die Hühner immer warmes Wasser. Wir haben warme Finger und warme Füße, weil wir nicht raus müssen, und es ist etwas, was dir das Leben leichter macht, und das ist das, was wir wollen. Ein Hack ist bei IT-lern eine kurze, unkomplizierte IT basierte Problemlösung, mit dem du dir einfach, vielleicht auch durch ein bisschen anderen Einsatz als ursprünglich mal geplant vom Hersteller, das Leben einfacher und besser machen kannst. Es hat aber nichts mit Illegalität zu tun.

Jeanna: Von den vermeintlichen Internetkriminellen Hackern sind wir in unserer Folge mit Anna Lena Von Hodenberg zu den wahren Internet Kriminellen, nämlich den Menschen, die digitale Gewalt ausüben, übergegangen. Anna-Lena ist Gründerin von Hate Aid. Hate Aid hilft Betroffenen von digitaler Gewalt, indem sie Hilfeleistungen wie Erstberatungen und Prozesskostenfinanzierung decken. Julius, war dir vor dem Interview bewusst, wie sehr sich digitale Gewalt auch auf unser Offline Leben auswirken kann?

Julius Bertram: Ich glaube, das, was man in dem Interview feststellt, ist, dass das ganze Interview eine andere Tonalität hat als die anderen Interviews. Es gibt noch ein Interview, bei dem ist das ähnlich. Das ist noch nicht ausgestrahlt, aber das kann ich schon mal teasern, das kommt Anfang Januar. Das ist das mit Sebastian Klein.

Jeanna: Ah, okay.

Julius Bertram: Ähm, es gibt manchmal irgendwie Interviews, die sind in ihrer, in der Art, wie die Gesprächspartnerin, der Gesprächspartner und ich dieses Interview führen, sind die irgendwie anders, und bei dem war das so. Das hatte zwischenzeitig auch echt was schweres.

Jeanna: Ich meine, es war ja auch in der Location, also in der geheimen, einem geheimen Standort.

Julius Bertram: Ja, das war alles in allem das war super strange. Der Name steht nicht an der Klingel, und sie erklärt das auch ganz gut. Aber es hatte so was verdammt schweres, weil, um auf deine Frage zu antworten, also eigentlich ist es total banal. Irgendwie sollte jeder wissen, dass es so einen Durchgriff hat. Aber mir war überhaupt nicht klar, in was für einem Ausmaß. Mir war nicht klar, worüber wir eigentlich reden. Also, das hört sich so an. Ja, Katja Diehl wir haben das vorhin gesagt, dann kriegt die Morddrohung, und das hört sich so banal an. Und wenn man dann mal ganz genau drüber nachdenkt, ist das eine Person, die sich etwas einsetzen, kommt die mit einmal Morddrohung und war selber auch nicht so richtig wohin damit? Das, was Anna-Lena sehr gut darstellt, ist, dass die Leute, die diesen Angriffen ausgesetzt sind, natürlich zwangsläufig mit dem Gedanken spielen, sich aus dem digitalen Raum zurückzuziehen, und wenn sie das tun, dann überlassen sie das Feld, den hatern, dann überlassen sie das Feld den Leuten, die für uns als Demokratie nicht gut sind. Und auch in dem Interview war es so. Das hat etwas, also ich habe schon gesagt, das hat was super schweres, sodass ich dann auch irgendwann zu ihr sein muss. Okay, wir müssen das jetzt irgendwie ein ganz kleines Bisschen auch in eine andere Richtung bringen, weil das ist ja, hat ja auch was positives, was ihr tut. Ich glaube, dass ich dieses Interview deswegen jede Person anhöre sollte, weil es einen ganz krass dafür sensibilisiert, dass es nicht nur die Verantwortung ist der Menschen, die diesen Shtistorms ausgesetzt sind, sich dagegen zu wehren, sondern wenn ich das beobachte, dann muss ich einfach was tun, dann muss ich das zur Anzeige bringen. Das ist ein bisschen wie auf dem Schulhof. Wenn ein Kind verkloppt wird, dann muss ich nicht das Kind zu wehr setzen, das verkloppt wird, sondern da müssen die, die drum rum sind, halt auch einfach was sagen und müssen sich dafür einsetzen. Und wenn wir das als Gesellschaft nicht hinkriegen, da können wir echt einen Sack hauen. Wenn jeder sich einfach nur wegdreht und sagt, das geht mich nichts an, und ich toleriere das, dann ist das keine Art und Weise, und das muss man auch sagen. Alle Organisationen, mit denen ich gesprochen habe, und Aktivist*innen, um da Katja Diehl mit einzuschließen, die machen letztendlich Arbeit, die es eigentlich nicht geben durfte, und das hat mir dieses Interview auch noch mal vor Augen geführt. Die Arbeit, die Hate Aid macht, die dürfte eigentlich gar nicht da sein. Das dürfte gar kein Thema sein, dass Leute im Internet glauben, das wäre ein rechtsfreier Raum, wo man mit Morddrohungen um sich werfen kann, und es kann auch irgendwie nicht sein, dass NGO‘s und non profit hier an Stellen einspringen, wo eigentlich der Staat regulieren müsste und das nicht tut, und das macht die Arbeit umso wichtiger, weil es eben nicht geschieht. Aber das hat mir das Interview nochmal krass vor Augen gehalten.

Jeanna: Ja, und zwischenzeitlich sollten ja auch Gelder von Hate Aid, staatliche Förderungsgelder, gestrichen werden.

Julius Bertram: Wurde aber abgewendet.

Jeanna: Genau ja.

Julius Bertram: Genau das ist auch so eine riesige Räuberpistole machen, super wichtige Arbeit. Dann soll damit einmal. Ich glaub, es ging um 300, 400000 €. Es ging echt um einen ordentlichen Satz, und sie hat das in dem Interview schon angedeutet, oder ich weiß, vielleicht hat sie es auch im Nachgang gesagt, dass sie am Arbeiten ist, dass es nicht so ist, und da ging es explizit um das Geld für ihre Berater*innen, also für die Leute, die in der Beratung sind, und die haben das Problem aber gelöst. Gott sei Dank!

Anna-Lena von Hodenberg: Du kannst echt davon ausgehen, dass jede Person in Deutschland von digitaler Gewalt betroffen sein kann, zu einem bestimmten Punkt. Das kann jedem und jeder passieren. Aber manchen passierts sicher, und das sind eben vor allen Dingen Politiker*innen, Kommunalpolitiker*innen, auch Journalist*innen, die vor allen Dingen auch zu bestimmten Dingen, vielleicht nicht die beauty Journalist*in. Aber wenn eine Person zu Migration berichtet, zu Klima, zu Rechtsextremismus, zu Feminismus, dann kann man eigentlich davon ausgehen, dass da digitale Gewalt und Hass folgt, Aktivist*in auch zu diesem ähnlichen Bereich, die eben in ähnlichen Bereichen auch unterwegs sind, und ganz normale Leute, die sich eben ihre Meinung im Netz sagen zu Feminismus, zu Rechtsextremismus, also zu unterschiedlichen Themen, und die werden eben sozusagen sagen, im digitalen Raum gezielt angegriffen, und zwar so lange traktiert, zum Teil, bis sie eben sagen, okay, ich kann mir das hier nicht mehr antun, ich sag nichts mehr zu dem Thema, oder nee, zum Thema Rechtsextremismus schreibe ich kein Artikel mehr, weil ich weiß, was mir dann passiert oder ich, 19 Prozent der Bürgermeister*innen in Deutschland haben angegeben, dass sie schon mal darüber nachgedacht haben, nicht mehr anzutreten, also ihren Job zu schmeißen, weil sie Angst um sich selber und ihre Familie haben. Ich mach mein Amt nicht mehr, ich engagiere mich nicht mehr, ich gehe, ich schmeiß den Job. Also Aggression, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, also andere Leute abzuwerten, das ist, was, was viele Leute auch schon im Elternhaus lernen. Ehrlich gesagt, also gerade wenn du jetzt anguckst, so Rassismus oder Frauenfeindlichkeit oder Feindlichkeit gegen die queere community, das ist oftmals was, was wir irgendwo gelernt haben. Damit sind wir nicht auf die Welt gekommen. Das heißt sozusagen Ressentiments, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die haben wir irgendwie so auf dem Weg, irgendwie so mitgelernt, und die große Frage ist aber gesellschaftlich sozusagen. Warum ist, sind die roten Linien nicht mehr da? Wir denken das vielleicht, oder aber in bestimmten Situationen würden wir das nicht sagen, weil wir wissen, dann wird das eben sozial sanktioniert, dann gibt es halt ärger, dann stehen halt Leute auf und sagen, was sagst du da, oder wir werden vielleicht ausgeschlossen und so weiter. Und wir waren eigentlich in Deutschland schon an einem Punkt, wo in den großen Medien, in einer Talkshow zum Beispiel man jetzt nicht mehr irgendwie frauenfeindliche Sachen sagen konnte oder mit Rassisten jetzt auch nicht mehr so nach vorne gehen konnte. Und plötzlich gab es dann diesen digitalen Raum, und Leute haben einfach mal angefangen zu gucken, wo ist es hier eigentlich die Grenze? Und es gab keine, weil im digitalen Raum zumindest bis vor kurzem und jetzt auch immer noch nicht flächendeckend kaum Strafverfolgung stattgefunden hat und die Plattform auch erst also sehr willkürlich Inhalte löschen, wenn sie gemeldet werden, und eben auch erst Inhalte löschen, die zum Beispiel rassistisch sind oder die, die Shoa Leugnen, also antisemitisch sind, wenn das eben gemeldet wird. Das heißt, Leute haben beleidigt und haben gesehen. Passiert nichts. Leute haben bedroht und haben gesehen, passiert nichts! Leute haben mit Vergewaltigung bedroht und haben gesehen, jetzt passiert nichts. Leute haben Adressen veröffentlicht und haben gesehen, es passiert nichts. Das heißt, sozusagen, das Internet kam den Leuten einfach wie so der Bisschen, der wilde Westen, wo man eben machen konnte, was man wollte.

Jeanna: Etwas Licht am Horizont des Internets gab es dann immerhin in unserer vorletzten Folge dieses Jahr mit Christian Kroll, dem Gründer von Ecosia. Ecosia ist die weltweit erste ökologische Suchmaschine, welche den Großteil ihrer Einnahmen in Aufforstungsprojekte investiert und dadurch schon über 187 Millionen Bäume in über 35 Ländern gepflanzt hat. Julius, was war für dich das größte Learning von Christian als Sozialunternehmer?

Julius Bertram: Ich glaube, ich hatte gar nicht so ein richtiges Learning. Ich hatte viel eine Erkenntnis. Ist es das gleiche, ist es ein Synonym? Ich hatte kein Learning, aber ich habe was gelernt.

Jeanna: Ja.

Julius Bertram: Das Interview mit ihm hat mich bestärkt, einer Frage mehr auf den Grund zu gehen, und ich glaube, das spannt da nachher auch ein bisschen den Bogen für die Folgen im nächsten Jahr. Ich frage mich, wo der Punkt ist, dass all diese Menschen entschieden haben, nicht vor Profite zu arbeiten. Die sind alle so smart, das sind alles so verdammt kluge Menschen, die könnten ihr Geld auch alle anders verdienen, und die könnten dann ihr Jahresgehalt mit Sicherheit alle mal ganz easy eine null anhängen, Julia Freudenberg, über die wir vorhin schon gesprochen haben, die sagt, ich will jetzt nicht lügen, Julia wird es korrigieren, wenn sie das hört, und kannst dann einfach runterschreiben, und ich meine, dass sie gesagt hat, sie hat auf zwei Drittel ihres Jahresgehalts verzichtet, seitdem sie das macht. Das ist bei mir ähnlich. Ich vermute, dass das auf alle zutrifft. Was ist es also, dass Menschen wie Christian, Anna-Lena, Julia, Paul, Katja, ich glaube, ich habe jetzt alle ne, Pavel. Und was ist es eigentlich, dass die Menschen für sich entscheiden, einen anderen Weg zu gehen? Und das, finde ich, ist eine richtig krasse Frage. Wenn wir den, wenn wir, wenn wir der Frage auf den Grund gehen könnten, wenn wir das rausfinden würden, dann hätten wir einen Hebel, um viele andere Menschen dazu auch zu bewegen, und da bin ich in dem Interview mit Christian draufgekommen, weil die Folge, wir haben das ja auch thematisiert, die hatte ja auch diesen plakativen Namen. Ja, also, warum kauft er sich nicht einfach eine Jacht ist doch total nachliegend. Ich meine, ein Prozent aller Suchanfragen in Europa geht über Ecosia oder Ecosia, oder wie auch immer wir es aussprechen wollen. Der könnte sich einfach zurücklehnen und könnte sagen, ich bin halt einfach ein Sau reicher Typ. Ich bin ein Sau reicher Dude, macht man hier alle, macht das nicht, und das, finde ich, ist eine großartige Frage, und der würde ich gerne nächstes Jahr noch mehr auf den Grund gehen.

Christian Kroll: Aber ich hab halt für mich entschieden, ich tue trotzdem so viel, wie ich kann, diese, dieses große Problem zu lösen, und damit bin ich halt im reinen mit mir selbst. Also selbst wenn es am Ende nicht klappt und wir als Menschheit die Kurve irgendwie nicht kriegen, dann will ich wenigstens das Gefühl haben, trotzdem genug gemacht zu haben. Und also das heißt nicht, dass ich mich deswegen irgendwie zurücklehne. Aber diese tatsächlich, man kann ja auch schwere, schwere Depressionen kriegen, wenn man, wenn man das Thema Klimakrise wirklich einmal verstanden hat.Ja, also ich glaube, dass das war tatsächlich so ein bisschen eine persönliche Erkenntnis, dass, ähm ich relativ früh für mich entschieden hab, genug ist dann irgendwann genug, und ich komme mit einem normalen Gehalt klar. Also ich finde, ich bekomme ja auch also Marktehälter, zahlen wir bei Ecosia, das heißt, ich bekomme Gehalt mit dem, mit dem ich mir alles leisten kann, was ich möchte. Ich hab halt, ähm, sagen wir, so meine Bedürfnisse einfach so ein bisschen in Zaum gehalten. Ich brauche keine große Jacht und kein, keine Ahnung, keine Riesen Villa oder irgendwie so was, ähm, und dadurch bleibt halt auch mehr Geld fürs Bäumepflanzen übrig. Also, was mir letztendlich am wichtigsten ist, ist ja diese, also dieses Problem zu lösen, die Klimakrise zu lösen, und deswegen habe ich auch ganz am Anfang, als ich Ecosia gegründet habe, das Versprechen gegeben, dass alle Gewinne in, also in Klima, Projekte und Baumpflanzprojekte fließen und dass das Unternehmen nie verkauft wird. Das heißt, ich kann eigentlich kein, also zumindest das Versprechen gegeben. Ich ziehe da keinen persönlichen Gewinn raus. Ich bekomme Gehalt, alle Mitarbeiter bei Ecosia bekommen auch ein Gehalt. Man muss ja irgendwie auch davon leben können, dass man, dass man arbeitet. Aber es gibt eben darüber hinaus keine private Bereicherung. Ja, ich, ich verstehe es auch nicht. Ich glaube, das ist vielleicht noch ein Reifeprozess, den wir, den wir durchmachen müssen als Menschheit.

Julius Bertram: Und das sollten wir aber schnell machen.

Christian Kroll: Ja, ja, also tatsächlich, wenn man sich anguckt, wir haben auf der einen Seite Milliardäre, die sich eine Jacht gönnen und was weiß ich alles gönnen, und auf der anderen Seite hast du Menschen, die verhungern. Wir haben die Klimakrise, die auf uns zurollt und dann jemand geht, der sagt: ja, aber ich, ich, ich kaufe doch Carbon Credits oder Co2 Credits, um meine meinem Co2 Fußabdruck zu neutralisieren, also von mir und meinem Privatjet, so, das ist halt einfach so. Wir haben es nicht geschafft, als Menschheit wirklich irgendwie die Prioritäten richtig zu setzen, meiner Meinung nach, und wenn wir die richtig setzen würden, dann könnten auch alle irgendwie. Also wären im Durchschnitt alle Menschen viel, viel glücklicher. Aber so hast du halt ein paar, die extrem reich sind, und eine ganze Menge, also Milliarden von Mensch, mindestens. Es gibt 1 Milliarde Menschen, die hungern. Also das ist halt einfach extrem krass, und das könnte man verhindern, indem man einfach, also wenn das top 0,1% irgendwie sagen würde, ja, wir geben mal die Hälfte ab, dann könnte man wahrscheinlich diese also verhindern, dass Milliarden Menschen hungern.

Julius Bertram: Jetzt sind wir diese ganzen Folgen durchgegangen. Was war denn deine Lieblingsfolge?

Jeanna: Also ja, ich find Lieblingsfolge, dass es, so hast du ja auch schon gesagt, das ist ein schwieriges Wort. Aber ich fand, die Folge, die auf mich am krassesten gewirkt hat, war die mit Katja Diehl weil ich ihre, ihre Beispiele sehr krass fand. Also, sie hat ja auch ein bisschen über Inklusion geredet, und sie hat dieses Beispiel mit dem Flugzeug Passagier irgendwie gebracht, und das fand ich sehr krass.

Katja Diehl: Das ist Kai Query, das ist auch ein Freund von Raúl, der ist auch im Rollstuhl seit 20 Jahren, und wenn ich die Geschichten von ihm lese, ist es hinterher also, da kommt auch ganz oft what the fuck, weil es ist nicht nur auf den Bahnbetrieb beschränkt. Ich erzähle dann auch, dass es auch vorgeschrieben ist, wenn man fliegt, dass es ein Kabinen Rollstuhl gibt. Der wird aber manchmal nicht vorgehalten, dann wird Kai angeboten, ihn zum Klo zu tragen. Damit geht halt vor Gericht, und die Richterin sagt, dann trinken sie halt weniger oder legen sie sich ein Katheter.

Julius Bertram: Ja, das war, das war so ein oh fuck Moment.

Jeanna: Was für ein Jahr! Wir hatten 18 Gäste aus den verschiedensten Bereichen und haben augenöffnende Gespräche geführt, so Julius. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie geht das nächstes Jahr weiter? Was für Gäste kommen da auf uns zu? Willst du da schon irgendwas verraten?

Julius Bertram: Ja, ich kann ein ganz kleines bisschen was verraten. Der Plan ist, den Blick weiter zu öffnen. Das heißt, auch, Menschen, die in For Profit Unternehmen arbeiten, eine Stimme zu geben, weil man kann es der Folge mit Heiko Hosomi Spitzeck entnehmen. Auch in For Profit Unternehmen sitzen Menschen, die etwas verändern wollen, und die haben natürlich aufgrund der Größe ihrer Unternehmen eine Möglichkeit, sehr viel Impact zu haben, und ich denke, dass man denen eine Stimme geben sollte, wenngleich ich mir dem, wenngleich ich mir bewusst bin, ähm, dass man unter Umständen kritischer nachfragen muss. Zum anderen möchte ich es gerne europäischer machen, das heißt, ich würde gerne mit Menschen sprechen, die außerhalb von Deutschland Dinge bewegen, und das in einem großen Maßstab.

Jeanna: Also auch außerhalb des deutschsprachigen Raums.

Julius Bertram: Jawohl, das will ich damit gesagt haben. Danke für die Nachfrage, und das wird mit Sicherheit nächstes Jahr passieren, weil wir haben mit vielen tollen Leuten gesprochen, und es gibt so unendlich viele tolle Leute, mit denen man noch reden könnte, und da wären noch einige von kommen. Wir haben das vorhin schon kurz angeteasert. Mit Sebastian Klein kommt jetzt einer, wir haben noch andere aus Deutschland auf dem Schirm, aber ich würde es gern größer denken und gucken, was gibt's europaweit, vielleicht sogar weltweit, für inspirierende Menschen, die große Dinge bewegen, das wird 2014 auf uns zukommen. 2014! Das wird 2024 auf uns zukommen. Jeanna, meine letzte Frage an dich. Mit welchem Song möchtest du diesen Podcast beenden?

Jeanna: Oh man, da hätte ich mich so gut drauf vorbereiten können? Ähm, ich nehm “no body, no crime” von Tayler Swift.

Julius Bertram: Danke dir Jeanna.

Jeanna: Gerne.

Julius Bertram: Schöne Weihnachtszeit euch allen, bis sind sie sehr.

Jeanna: Bis dann.

Intro/Outro: Goodcast, der Podcast, der wirkt, präsentiert von Viva Equality. Mit freundlicher Unterstützung von MAKIKO.

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